Rede des Stadtbürgermeisters

zur Situation des Klinikums Mittelmosel

Die folgende Rede hielt Stadtbürgermeister Hans-Peter Döpgen während der Demonstration zum Erhalt des Klinikums Mittelmosel am 24. August 2024 auf dem Barl:

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die Fraktionen Ihrer in den Verbandsgemeinderat Zell und in den Stadtrat von Zell gewählten Vertreter haben Sie aufgerufen, heute hier vor Ort für Ihre Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich einzutreten.

Eine Sorge, die uns alle betrifft und dabei von Tag zu Tag drängender wird:
Es droht akut das Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Bereich.

Diese Sorgen und Ängste betreffen in ganzer Konsequenz nicht nur unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, sondern auch die Zukunft unserer gesamten Region.

Seit Jahren beobachten wir einen besorgniserregenden Trend:
Krankenhäuser werden geschlossen, Arztpraxen werden aufgegeben, und die Anzahl der medizinischen Fachkräfte in unseren Dörfern und Kleinstädten nimmt stetig ab.

Was bleibt, ist ein immer größer werdendes Vakuum in der medizinischen Versorgung.

Die Wege zu Ärzten und Krankenhäusern werden lang und länger, die Wartezeiten steigen. Arztpraxen gehen wegen Überlastung nicht mehr ans Telefon. Wartezeiten von fast einem Jahr sind nicht abwegig.
Unsere Wegstrecken in die nächstgrößeren Städte führen über Landstraßen mit touristischem Verkehr und teilweise weiträumigen Umleitungen. Autobahnanschluss ist in einer Entfernung von einer ¾ Stunde.

Die Gesundheitsversorgung wird für viele von uns zu einem wachsenden Problem.

Diese Entwicklung hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Leben.

Besonders ältere Menschen und chronisch Kranke sind von der zunehmenden Entfernung zur medizinischen Versorgung betroffen.

Ein einfacher Arztbesuch wird für viele zur logistischen Herausforderung, die ohne die Unterstützung von Angehörigen kaum zu bewältigen ist.

Für Menschen ohne eigenes Fahrzeug sind die langen Wege oft gar nicht zu schaffen.

Und in Notfällen kann jede Minute zählen – doch was tun, wenn der nächste Rettungswagen oder die nächste Klinik viele Kilometer und lange Fahrzeiten auf Landstraßen entfernt ist?

Soll hier der Hubschrauber als Ersatz dienen? Unsere Moselorte sind eng. Wo stehen am Einsatzort Landeplätze zur Verfügung ? – abgesehen von der Zeit der Alarmierung bis zu dessen Eintreffen. Und des nachts fliegt der Hubschrauber nicht. 

Das Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung ist kein abstraktes Problem, sondern eine reale Bedrohung für unsere Lebensqualität und insbesondere unsere Lebenserwartung.

Es betrifft die jungen Familien, die sich überlegen, ob sie in einem Dorf ohne ausreichende medizinische Versorgung ihre Kinder großziehen können.

Es betrifft die älteren Menschen, die auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind.

Und es betrifft uns alle, die wir das Vertrauen in eine verlässliche Gesundheitsversorgung nicht verlieren dürfen.

Doch die Folgen dieser Entwicklung gehen noch weiter.

Mit jeder Praxis, die schließt, und mit jedem Krankenhaus, das seine Pforten für immer schließt, wird unsere Region weniger attraktiv für junge Ärzte und medizinisches Personal.

Warum sollten sie sich in einer Region niederlassen, in der die Infrastruktur ausblutet und die Perspektiven für die Zukunft unsicher sind?

So entsteht ein Teufelskreis.

Es wird immer wieder betont, dass der medizinische Fortschritt die Zentralisierung von Gesundheitsdiensten erfordert.

Doch was nützt der größte Fortschritt, wenn die Menschen, die ihn brauchen, nicht mehr erreicht werden? Was nützt es, wenn hochspezialisierte Zentren weit entfernt sind und in Notfällen die wertvolle Zeit verstreicht, die über Leben und Tod entscheiden kann?

Schnelle wirksame Notfallversorgung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Daseinsvorsorge.

Feuerwehr und Rettungsdienst müssen nach der Landesvorgabe innerhalb 8 Minuten wirksame Hilfe leisten können. In der Gesundheitspolitik erlaubt der Gesetzgeber Zeiten, die weit darüber hinaus liegen.

Ich frage Sie: sind Sachen mehr wert als der Mensch?

Bundes- und Landespolitik, die mit der Sicherstellung der ambulanten gesundheitlichen Versorgung beauftragte Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen müssen aufhören, sich als Selbstzweck und die Gesundheit als Ware zu betrachten. Anstalten und Einrichtungen nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen.

Gesundheit ist ein Grundrecht, das jedem Menschen zusteht – unabhängig davon, ob er in einer großen Stadt oder in einer ländlichen Gemeinde lebt.

Die falsche Prioritätensetzung in der Gesundheitspolitik führt dazu, dass wichtige Einrichtungen wie unser Krankenhaus nicht mehr als unverzichtbare Versorgungszentren angesehen werden, sondern als Posten in einer Bilanz, die man streichen kann, wenn die Zahlen es verlangen.

Die Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung des ländlichen Raumes muss sichergestellt sein.

Dass Ärzte und Kliniken nicht wissen, wann, was und mit welchen Summen sie ihre Leistungen letztendlich bezahlt bekommen ist unannehmbar.

Bund und Land müssen gemeinsam für alle Bürger die Mittel bereitstellen, die für eine Gesundheits- und Notfallversorgung erforderlich sind.

Es ist in keiner Weise tragbar, dass sie darauf verweisen, wenn keine ausreichende Krankenhausversorgung durch sie gewährleistet ist, dass der Landkreis diese übernehmen muss. Landkreis, das sind wir, wir Bürger selbst. Wir sollen also selbst unsere Notfallversorgung organisieren und zahlen.

Wo sind wir hingekommen?

Ein Krankenhaus ist nicht einfach nur ein Gebäude mit Betten, Ärzten und Krankenschwestern.

Es ist ein Symbol der Sicherheit, ein Garant für die medizinische Versorgung und ein unerlässlicher Teil unserer Daseinsvorsorge.

Besonders in ländlichen Gebieten wie dem unseren ist ein Krankenhaus mehr als nur ein Ort, an dem Krankheiten behandelt werden.

Es ist ein Ort, an dem Leben gerettet werden.

Ein Krankenhaus vor Ort bedeutet schnelle Hilfe im Notfall. Es bedeutet, dass bei einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem Unfall keine lebensrettenden Minuten verloren gehen.

Es bedeutet auch, dass ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen regelmäßig und in vertrauter Umgebung behandelt werden können.

Ein Krankenhaus vor Ort bietet nicht nur medizinische, sondern auch soziale Sicherheit – für die Menschen, die hier leben, und für diejenigen, die hierherziehen oder ihre Familien gründen wollen.

Darüber hinaus ist ein Krankenhaus ein wichtiger Arbeitgeber und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in unserer Region.

Es bietet qualifizierte Arbeitsplätze, bindet Fachkräfte vor Ort und trägt so zur wirtschaftlichen Stabilität bei.

Ohne diese Einrichtung werden nicht nur Arbeitsplätze verloren gehen, sondern auch die Attraktivität unserer Region als Wohn- und Lebensort erheblich leiden.

Es geht um die Frage, welche Lebensqualität wir für unsere Gemeinden, unsere Familien und unsere Kinder wollen. Es geht um die Frage, ob wir bereit sind, für die Sicherheit und das Wohl unserer Gemeinschaft zu kämpfen.

Die medizinische Versorgung darf nicht zu einem Privileg werden, das nur in städtischen Gebieten gewährleistet ist.
Aus der Geschichte des Mittelalters kennen wir die Landflucht.

Sind wir wieder soweit, dass nur in einer Stadt oder ihrer Nähe Zukunft für uns, unsere Kinder und Kindeskinder gegeben ist.

Jeder Mensch hat das Recht auf eine qualitativ hochwertige und vor allem erreichbare Gesundheitsversorgung, unabhängig davon, wo er lebt.

Und dieses Recht müssen wir einfordern – laut und deutlich.
Über 6.000 Personen haben im Internet die Petition zum Erhalt der Mittelmosel-Klinik unterzeichnet. Sie alle, die sie hier sind, zeigen, wie wichtig es ihnen ist, dass eine umfassende und qualifizierte Gesundheitsversorgung – auch stationär – in erreichbarer Nähe vorhanden ist.

Die Schließung eines Krankenhauses im ländlichen Raum mag auf den ersten Blick eine Einsparung darstellen, doch die Kosten, die wir dafür zahlen, sind immens – menschlich, sozial und wirtschaftlich.

Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass unsere Region nicht von lebenswichtigen Einrichtungen abgeschnitten wird.

Wir müssen unseren Politikern bei Bund und Land, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen klar machen, dass der Erhalt eines Krankenhauses hier vor Ort keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist.

Es ist eine Investition in unsere Gesundheit, in unsere Sicherheit und in die Zukunft unserer Kinder.

Wir dürfen die Fehlentwicklungen nicht länger hinnehmen. Es ist an der Zeit, dass wir unsere Stimme erheben und deutlich machen, dass Gesundheit nicht zur Disposition steht.

Wir müssen uns für den Erhalt unseres Krankenhauses einsetzen und damit ein Zeichen setzen – ein Zeichen dafür, dass Gesundheitspolitik sich wieder auf das Wesentliche besinnt: Den Dienst am Menschen.

Es geht hier nicht allein nur um unser Krankenhaus – es geht um den Wert, den wir als Gesellschaft Gesundheit und Leben beimessen.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass diese Werte nicht weiter durch eine verfehlte Politik - sei es nach Bundes- oder Landesvorgaben, durch die Kassenärztliche Vereinigung oder die 95 deutschen gesetzlichen Krankenkassen untergraben wird.

Gesundheitliche Versorgung darf nicht in eine Zweiklassengesellschaft in Stadtnahe und Landbevölkerung aufgeteilt und dabei die Landbevölkerung geopfert werden.

Es darf nicht eintreten, was ich oftmals gehört habe:
Lebst Du auf dem Land, dann musst Du früher sterben.
und ich möchte hinzufügen: Oder Du wirst ein Pflegefall.

Das Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Bereich ist eine Entwicklung, die wir alle nicht hinnehmen dürfen. Es geht um unsere Gesundheit, unser Leben, unsere Kinder, unsere nachfolgenden Generationen, um die Zukunft unserer ganzen Region.

Wir fordern, dass unsere Mittelmosel-Klinik bestehen bleibt, dass sie gestärkt und weiterentwickelt wird, damit sie auch in Zukunft allen Herausforderungen gewachsen ist.

Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen – für eine medizinische Versorgung, die uns allen gerecht wird, für die Sicherheit, dass wir -auch auf dem Land- im Krankheitsfall gut versorgt werden, für eine lebenswerte Zukunft im Zeller Land und darüber hinaus.

 

Vielen Dank